Zu dieser Fahrt hatten sich 36 Landfrauen angemeldet. Alle waren pünktlich am Bahnhof in Bad Oldesloe, gut gelaunt und in freudiger Erwartung auf die neuen Eindrücke in Schlesien mit seiner wechselvollen Geschichte, die wir ja gewinnen würden. Auch unser „ Lieblings- Busfahrer“ Herr Pöhlsen war sehr zeitig vor Ort und hatte ruckzuck das ganze Gepäck verstaut. So ging es also wie geplant pünktlich um 8.00 Uhr am 3. Juni 2010 los.
Der Himmel war zwar bedeckt aber es blieb größten Teils trocken. Nach einer Frühstückspause unterwegs erreichten wir gegen Mittag Berlin. Ursprünglich war es geplant, die Stadt zu umfahren. Herr Pöhlsen meinte aber, erfahrungsgemäß wäre es mittags in Berlin verkehrsmäßig nicht so voll und fuhr durch die Stadt. Er hatte Recht und wir kamen zügig voran. Es ging dann weiter auf der Autobahn Richtung Cottbus, um kurz danach über die deutsch- polnische Grenze zu fahren. Auf der polnischen Seite angekommen, gab es erst einmal eine Kaffeepause auf einem Rastplatz. Auf den besonderen Wunsch eines einzelnen Herrn, gab es diesmal Maracujatorte, die wir selbst gebacken und mitgebracht hatten. Es kam bei allen gut an! Gut gestärkt ging es über eine sehr schlechte Autobahn weiter, um zu unserem Aufenthaltsort, dem ehemaligen Hirschberg (Jelenia Góra), zu kommen. Bei Bunzlau (Boleslawiec), bekannt durch seine Keramiktöpferei, fuhren wir von der Autobahn ab und kamen über die Landstraße durch die Orte Löwenberg (Lwówek Slaski) und Liebenthal (Lubomierz) nach Hirschberg. Gegen 17.30 Uhr hatten wir unser Ziel erreicht. Ein sehr ordentliches, modernes Hotel, unweit vom Stadtzentrum gelegen. Während Herr Pöhlsen unser Gepäck auslud, bekamen wir unsere Zimmerschlüssel und Zimmer zugewiesen. Um 19.00 Uhr gab es Abendessen vom Büffet. Es war wie an den folgenden Tagen sehr reichhaltig und für jeden Gaumen etwas dabei. In aller Ruhe nach der langen Fahrt, ließen wir den Abend ausklingen.

4. Juni:
Nach einem guten Frühstück erwartete uns ein Gästeführer: Herr Emil Wendig, ein junger polnischer Staatsbürger. Er spricht ein perfektes Deutsch. Nachdem er sich vorgestellt hatte, ging es pünktlich um 8.30 Uhr los. Die Stadt Breslau (Wroclaw) stand auf dem Programm.
Bei schönstem Wetter fuhren wir durch Oberschlesien mit den schönen Mischwäldern. Auf den Landwirtschaftlichen Flächen werden Raps, Gerste und Weizen angebaut. An den vorangegangen Tagen hatte es dort sehr viel Niederschlag gegeben und die Felder waren noch sehr nass. Südlich sahen wir das Riesengebirge und nordöstlich das Boberkatzbachgebirge liegen. Es ging vorbei an den Städten Bolkenhain ( Bolkow) und Jauer (Jawor) in die Niederschlesische Tiefebene über die Autobahn nach Breslau.- In der Gegend von Striegau (Strzegom) wird sehr viel Granit abgebaut und dadurch haben sich dort viele Steinmetze angesiedelt. Auch Lehm und Ton werden dort ab gebaut, was zur Herstellung von Schamottsteinen gebraucht wird. Auf den landwirtschaftlichen Flächen werden hauptsächlich Zuckerrüben und Mais angebaut.- Die Strecke betrug etwa 110 km. Gegen 11.00 Uhr kamen wir in Breslau an und stiegen auf dem Parkplatz am Theater aus. Mit Emil gingen wir dann in die auf 11 Inseln der Oder liegende Altstadt. Die Stadt wurde von Jan. – Mai 1945 von den Russen zu 70% zerstört und ist bis heute nach alten Plänen in seinem historischen Zustand sehr schön wieder aufgebaut worden. Wir machten auf der Dominsel halt, um den Dom, der inmitten von mehreren sakralen Gebäuden liegt, zu besichtigen. Es ist ein sehr imposantes, im gotischen Stil erbautes Gebäude. Vor dem Eingangsportal konnten wir dann auch unser Gruppenfoto „schießen“.
Nach dieser Besichtigung hatten wir über die Mittagszeit zwei Stunden Zeit zur freien Verfügung, die nach Meinung aller zu kurz war. Um 14.30 Uhr trafen wir uns wieder am Bus, um die Rückfahrt anzutreten. Wir verließen die Hauptstadt Niederschlesiens und kamen noch einmal vorbei am im Tudorstil erbauten Hauptbahnhof und am imposanten Bau der Jahrhunderthalle, die wie eine Torte in mehreren Stufen aufgebaut ist. Bis zu 10 000 Personen können darin Platz finden. Unser Weg führte uns auf der Landstraße über Schweidnitz (Swidnica). In der Ferne konnten wir den Berg Zobten erkennen, von dem man sagt, er sei ein Wetterprophet. Wenn er sich im Erscheinungsbild dunkel zeigt, gibt es sonniges Wetter. Zeigt er sich aber hell, soll es Regen geben. Anscheinend stimmte die Prognose, denn während unseres Aufenthaltes zeigte er sich im dunklen Gewand. Wir hatten nur schönes Wetter. Weiter ging es durch die schöne Landschaft über Freyburg (Swiebodzice), Hohenfriedeberg (Dobromierc) und Bolkenhain (Bolków) nach Hirschberg. Dort angekommen, hatten wir noch genügend Zeit um uns von den vielen Eindrücken des Tages zu erholen, oder im hauseigenen Hallenbad schwimmen zu gehen. Eine der Damen hatte es sehr eilig ins Wasser zu kommen und merkte nicht, dass sie in der Hektik ihren Badeanzug verkehrt herum angezogen hatte. Natürlich zur Belustigung aller Damen- und des Bademeisters. Danach gab es ein reichhaltiges Abendessen und ein geselliges Beisammensein auf der schönen Terrasse des Hotels, wo wir eine Reisegruppe mit Landfrauen aus Baden- Württemberg trafen und uns austauschen konnten. Sie kamen aus dem Raum Stuttgart.

5. Juni:
Nachdem wir gut gefrühstückt hatten, trafen wir uns um 9.00 Uhr im Bus. Unser Reiseleiter Emil war auch pünktlich vor Ort. Heute sollte es eigentlich nach Glatz gehen. Diese Strecke erschien aber allen Damen zu weit und so beschlossen wir, eine kurzfristige Änderung des Reiseverlaufs vorzunehmen. Alle waren damit einverstanden- es sollte nach Schweidnitz gehen.- Wieder ging unsere Fahrt bei Sonnenschein durch die schöne Mittelgebirgslandschaft über Bolkenhain, Hohenfriedeberg nach Freyburg. Dort konnten wir das Schloss Fürstenstein besichtigen und im sehr schönen Schlosspark mit seinen blühenden Rhododendren spazieren gehen. Da es genau über die Mittagszeit war, konnte, wer wollte, eine kleine Mahlzeit zu sich nehmen.- Freyburg ist auch berühmt durch die Familie Piasten. Sie ist dort seit 1392 ansässig. Jeder kennt ja die Schokoladen und Pralinen, die dort in der Schokoladenfabrik hergestellt werden.- Um 14.00 Uhr ging es weiter nach Schweidnitz.
Es ist heute eine 60 000 Einwohner große Industriestadt. Dort werden hauptsächlich Waggons für die Eisenbahn gebaut und Küchenmöbel hergestellt. Unser Weg führte uns aber etwas außerhalb der Stadt. Wir sollten dort die Dreifaltigkeitskirche besichtigen. Es ist ein Fachwerkgebäude, indem 5 000 Personen Platz finden. Da die katholischen Habsburger nach dem 30jährigen Krieg in Schlesien herrschten, mussten die Protestanten ihre Kirche außerhalb der Stadtmauern erbauen und sie durfte nur aus Lehm und Ton bestehen. Aus diesen Vorgaben ist eine sehr schöne imposante Kirche entstanden, die mit ihrer Innenausstattung uns alle begeisterte. Danach ging es weiter über Waldenburg (Walbrzych) nach Grüssau (Krzeszow). Die Zisterzensierabtei stand dort zur Besichtigung an. Die St.- Joseph- Kirche war gerade eingerüstet, wir konnten aber trotzdem hineingehen. Auch in das Mausoleum der Familie Piasten aus Schweidnitz konnten wir hinein. Es wurde seit 1746 als Beisetzungsort der Schlesischen Fürsten genutzt. Weiter fuhren wir durch die Gegend von Landeshut (Kamienna Góra). Hier gibt es noch Flachsanbau und die Weberkunst wird noch teilweise durchgeführt. Gegen 17.30 Uhr waren wir, gut informiert und voll von Eindrücken, die wir gewonnen hatten, wieder im Hotel. So hatten wir noch eine gute Stunde Zeit, um uns bis zum Abendessen zu erholen. Ein nettes Beisammensein sollte den Abend ausklingen lassen. So war es auch, leider wurde es aber durch eine Alarmanlage eines auf dem Parkplatz des Hotels befindlichen Autos empfindlich gestört. Glücklicherweise konnten die Besitzer des Autos ausfindig gemacht werden, sodass bis Mitternacht Ruhe einkehrte und wir gut schlafen konnten.

6. Juni:
Wir trafen uns um 8.30 Uhr gut gestärkt nach einem reichhaltigen Frühstück am Bus. Emil war auch schon da und wir freuten uns auf die Fahrt, denn heute sollte es ins Riesengebirge und auf die Schneekoppe gehen. Bei strahlendem Sonnenschein ging es pünktlich los. Die Fahrt ging diesmal über die Landstraße in Richtung Zillertal- Erdmannsdorf (Myslakowice). In Erdmannsdorf sahen wir eine Siedlung von 60 Tiroler Häusern. Im Hirschberger Tal gibt es davon drei Kolonien. Die Erbauer dieser Häuser mussten wegen ihres Glaubens aus Tirol fliehen und siedelten sich seit dem Jahr 1837 in Erdmannsdorf an. Hier war auch die Sommerresidenz von Friedr.-Wilhelm III u. IV und Kaiser Wilhelm I. Das Kirchenportal ist geschmückt mit zwei Säulen aus Pompeji. Sie waren ein Geschenk vom italienischen König zum Geburtstag an König Friedr.- Wilhelm III. Im Ort gibt es auch noch eine Leinenfabrik. Früher wurde in den schönen Umgebindehäusern, die man in der Gegend findet, auch noch Leinen verkauft, was heute anscheinend nicht mehr möglich ist. Weiter ging es nach Krummhübel (Karpac). Der Ort besitzt seit 1960 die Stadtrechte. Hier befindet sich das Nesthäkchen- Haus. Jeder kann sich an die Autorin der Nesthäkchen- Bücher, die man als Kind gelesen hatte, Ilse Ury, erinnern. Sie lebte hier und wurde 1942 von den Nazis ins KZ Ausschwitz deportiert und umgebracht.- Ein leider weniger schönes Kapitel-!
Nun kamen wir an der Talstation des Sesselliftes an, der uns auf den höchsten Berg des Riesengebirges, der Schneekoppe (1602m), bringen sollte. Die Karten waren schnell gekauft und jeder Dame wurde mit Schwung in den Sitz geholfen. Die Fahrt hinauf war schon atemberaubend schön, aber oben angekommen, hatten wir bei herrlichem Sonnenschein eine bombastische Aussicht. Wir konnten von der Bergstation auf Höhe von ca 1 200m weit ins Tal hinunter sehen und auch auf die tschechische Seite des Riesengebirges. Auf den Bergwiesen blühten die weißen Berganemonen, der gelbe Berghahnenfuß und die rötlich violette Zwergalpenrose. In den Bergnischen lagen noch vereinzelt Schneefelder. Obwohl der Weg bis zum Gipfel sehr gut ausgebaut ist, ist keiner von uns hinauf gewandert. Wir Landfrauen haben die Mittagspause hier in der freien Natur auf der Bergstation sehr genossen. Um 13.00 Uhr sind wir dann wieder zum Sessellift gewandert und wieder hinunter gefahren. Wir waren alle einer Meinung, dass die Fahrt hinunter noch schöner war, als die Fahrt hinauf. Auf der einen Seite des Sesselliftes wird der Wald der Natur überlassen. Er soll sich von selber regenerieren und auf der anderen Seite werden ganz bewusst Kiefern und Laubbäume angepflanzt, damit wieder eine Mischbewaldung entsteht, so, wie es ursprünglich war. Unten im Tal vor Krummhübel wird eine sehr große Hotelanlage für 1 500 Gäste gebaut, die kurz vor der Fertigstellung war. Alle waren wieder im Bus und weiter ging die Fahrt in die Stadt zur Stabkirche Wang. Sie ist ganz aus Holz gebaut und wurde im Jahre 1841 im kleinen norwegischen Dörfchen Vang abgebaut und über Berlin nach Krummhübel gebracht, wo sie dann wieder aufgebaut wurde.

Hier trafen wir, bevor unsere Führung begann, zum ersten Mal auf den sagenumwobenen Berggeist Rübezahl. Ihn trafen wir in einem Restaurant, in dem wir auf dem Heimweg nach Hirschberg eine Kaffeepause eingelegt haben, noch einmal wieder. Einige Damen haben sogar nach Akkordeonbegleitung mit ihm getanzt. In Hirschberg angekommen, haben dann die meisten der Damen noch eine Stadtbesichtigung zu Fuß mit Emil unternommen. Hirschberg wird auch als „Perle des Riesengebirges“ bezeichnet. Die Stadt ist das Wirtschafts- und Touristenzentrum des westlichen Sudetenlandes. Wir liefen durch die Altstadt mit ihren gut erhaltenen barocken Häusern und den Arkaden auf dem Marktplatz. Dort verabschiedete sich Emil von uns. Er hatte uns über drei Tage fachkundig geführt und immer so, dass jeder alles verstehen konnte und alle mit kamen. Wir bedankten uns bei ihm und wünschten ihm alles Gute. Wieder zurück im Hotel, stellten wir fest, dass dies der schönste Tag unserer Reise nach Schlesien war. Nach dem guten Abendessen haben wir dann die Koffer gepackt und den Abend auf der Terrasse des Hotels mit Spaß und fröhlichen Liedern ausklingen lassen.
7. Juni:
Ab 6.30 Uhr war Frühstück angesagt und ab 7.45 Uhr Verladen der Koffer. Alles klappte reibungslos! Wir sind schon ein eingespieltes Team. Wir verließen Schlesien, das der „Alte Fritz“ sich von Maria Theresia, der österreichischen Kaiserin, nach sieben Jahren Krieg, endgültig abgetrotzt hatte. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Schlesien dann Polen zugeschlagen und nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ ist es für alle Bürger wieder offen.
Auf unserem Heimweg machten wir unsere Mittagspause in Dresden. Wir hatten 2 Stunden Zeit zur freien Verfügung, konnten einen kleinen Bummel machen und gut zu Mittag essen. Dies war noch einmal ein sehr schöner Abschluss unserer Reise und wir stellten fest: Dresden wäre doch auch noch eine Reise wert! Nach einigen Pausen, die eingehalten werden mussten, kamen wir gegen 19.30 Uhr wohlbehalten in Bad Oldesloe an. Wir verabschiedeten uns von unserer „Reise Christel“, die wie immer alles gut organisiert und geleitet hatte, mit großem Applaus und einer Mokkatasse von uns allen. Ein ganz besonderer Dank galt natürlich Herrn Pöhlsen, der uns auch zur Freude unserer Familien, in seiner besonnenen und souveränen Fahrweise wieder heil nach Hause gebracht hat.
„Tschüss, bis zur nächstenReise“, sagt Eure Ilse Spiering und wünscht Euch einen schönen Sommer!